Leben! Juden in Wien nach 1945




fotografiert von Margit Dobronyi, eine Installation von Ruth Beckermann. 19.3. - 22.6.2008 im Jüdischen Museum Wien

Wien nach 1945: Besatzungszonen, die Vier im Jeep, der dritte Mann, eine Stadt ohne Juden. Von den mehr als 180.000 Wiener Juden, die vor 1938 in dieser Stadt lebten, waren etwa 2000 übrig geblieben. Niemand erwartete, dass sich hier wieder eine jüdische Gemeinde entfalten könnte. Doch ausgerechnet Wien entwickelte sich in der Zeit des Kalten Kriegs und Wiederaufbaus zu einer kleinen, aber lebendigen Drehscheibe jüdischen Lebens in Europa. Zuerst kamen die Überlebenden aus den DP-Camps, dann die Flüchtlinge aus den kommunistischen Nachbarstaaten. Viele zogen weiter nach Israel oder in die USA, aber einige schoben die Abreise immer wieder auf, gründeten Familien und Firmen und belebten die klein gewordene Gemeinde neu und ganz anders.

Die Fotografin Margit Dobronyi, die 1956 selbst als Ungarn-Flüchtling nach Wien kam, avancierte schnell zur “Hochzeitsfotografin” der jüdischen Gesellschaft. Bei Bar Mizwas, Bällen, Hochzeiten und offiziellen Veranstaltungen erschien die kleine Frau mit dem großen Blitzlicht und fotografierte, ob sie nun einen Auftrag hatte oder nicht: fröhliche Menschen, ausgelassene Feste, bunte Farben, modernes Leben in einer grauen Stadt. Die Bilder erzählen von dem Bedürfnis, das versäumte Leben nachzuholen; von dem Willen, trotz allem zu singen und zu tanzen. Fünfzig Jahre später sind sie kulturgeschichtliche Dokumente der zaghaften Etablierung einer jüdischen Gemeinde und des wirtschaftlichen Aufstiegs einer erfolgreichen Migrantengruppe, die ab den 80er Jahren von einer neuen Immigration aus Georgien und dem Kaukasus verstärkt wird.

Die 2009 verstorbene Margit Dobronyi schuf so die wichtigste Bildquelle zur Geschichte der Wiener Juden nach 1945. Ihr rund 150.000 Bilder umfassendes Archiv wurde 2004 vom Jüdischen Museum Wien angekauft, wo es von Pnina Schreiber bearbeitet wird. Im Februar 2007 stellte Ruth Beckermann ein Team zusammen, welches mit der systematischen Dokumentation der Fotos für die Ausstellung begann. Ruth Beckermann legt in der Ausstellung “Leben!” den Schwerpunkt auf die Fülle des Materials. 3500 Fotos bilden eine Installation, welche durch Filmausschnitte animiert und durch Video-Erzählungen verdichtet wird.

Ergänzt wird die Installation durch einen Katalog mit 320 Seiten und mehr als 250 großteils farbigen Fotografien, der im Mandelbaum Verlag zum Preis von € 24,90 erscheint.

Idee und Konzept: Ruth Beckermann
Dokumentation: Daphna Frucht
Mitarbeit: Yvonne Feiger, Stefan Lerch, Milli Segal
Gestaltung: Sergio Ramirez
Kurator: Werner Hanak-Lettner
Mitarbeit: Pnina Schreiber
Bilddatenbank & Touchscreens: vonautomatisch werkstaetten





____PUBLICATIONS
LEBEN!
Juden in Wien nach 1945

Ruth Beckermann, Margit Dobronyi
Seiten: 304 Seiten
Format: 17x24
Mandelbaum Verlag, 2008